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KI-Strategie der Bundesregierung: Praxisnähe gefordert

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Dass die Bundesregierung die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) erkannt und kürzlich eine 3-Milliarden-schwere KI-Strategie auf den Weg gebracht hat, begrüßen Forscher ebenso wie Industrieverbände. Sie fordern aber, die Umsetzung in die Praxis, gerade im Mittelstand, unbedingt im Auge zu behalten.

„Es ist gut, dass sich die Bundesregierung bei uns am Hasso-Plattner-Institut (HPI) auf eine KI-Strategie verständigt hat und dafür auch zusätzliche Mittel investiert“, sagt HPI-Direktor Professor Christoph Meinel. „Denn die drei Milliarden helfen unserem Innovationsstandort erheblich weiter“, bestätigt Dr. Johannes Winter, Leiter Geschäftsstelle der Plattform Lernende Systeme in München. Zumal die drei Milliarden eine Hebelwirkung haben werden. Schätzungen zufolge wird sich die Summe durch Verbundprojekte mit industriellen Partnern und Förderinitiativen der Bundesländer auf rund sechs Milliarden Euro erhöhen. Winter: „So viel investiert kein anderes europäischen Land.“

Zudem sei die deutsche Forschungslandschaft bereits sehr gut aufgestellt, so Winter: „Das gilt für die Grundlagenforschung, vor allem aber auch für die anwendungsbezogene Forschung. Bei Industrie 4.0, dem autonomen Fahren, KI-gesteuerten Prothesen oder Real-Time-Analytics gegen Kreditkartenbetrug nehmen wir einen weltweiten Spitzenplatz ein.“

VDMA: Keine Forschung im Elfenbeinturm

Allerdings: Weder das Budget von 3 Milliarden Euro noch die angekündigten 100 neue Professoren würden den erfolgreichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz garantieren, warnt der VDMA. „Wir brauchen keine Forschung im Elfenbeinturm, sondern am Ende intelligente Lösungen, wie wir KI möglichst schnell in den Unternehmen nutzen können“, fordert Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA. „Wenn es uns nicht gelingt, für den Technologietransfer aus der Grundlagenforschung in die Industriepraxis zu sorgen, bleibt die künstliche Intelligenz ein Thema für den sprichwörtlichen wissenschaftlichen Elfenbeinturm.“

Auch für HPI-Direktor Meinel besteht die größte Herausforderung darin, die guten Forschungsergebnisse der international anerkannten deutschen KI-Forschungslandschaft so in die Wirtschaft zu transferieren, dass die Wertschöpfung hier am Wirtschaftsstandort bleibt. „Das war in der Vergangenheit zu oft nicht der Fall.“ KI-Expertise in starken deutschen Domänen wie eben dem Maschinenbau aufzubauen, sei allerdings keine kleine Aufgabe, so Meinel. „Denn unser Standort ist durch einen starken und vielfältigen Mittelstand geprägt, der sich die riesigen Investitionen in Forschung und Entwicklung, wie sie Alibaba oder Amazon gerade tätigen schlicht, nicht leisten können.“

Mittelstand fördern

Der VDMA fordert daher eine gezielte Mittelstandsförderung: „Eine echte Erfolgsgeschichte kann KI nur dann werden, wenn es gelingt, die Technologie in die Breite des industriellen Mittelstands zu bringen.“ Wichtig sei es daher, einen effizienten Technologietransfer zu gewährleisten. „Die KI-Strategie der Bundesregierung sieht dafür vor, dass KI-Trainer aus den bestehenden Kompetenzzentren „Mittelstand“ in die Unternehmen gehen und sie dabei unterstützen, ihre Workflows und Geschäftsmodelle auf Potenziale für KI-Anwendungen zu prüfen“, berichtet Meinel. „Das ist zumindest ein Anfang und ein guter Ansatz.“

Allerdings fehlt es in vielen Betrieben ohnehin oft noch an Bewusstsein: So verweist Meinel auf eine aktuelle Untersuchung im Auftrag des Wirtschaftsministeriums , nach der sich zwar ein Viertel der deutschen Unternehmen mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt, aber lediglich fünf Prozent KI bereits nutzen. „Ganze drei Viertel der befragten Unternehmen sagen in der Studie, KI sei für sie nicht relevant – das halte ich in vielen Fällen für eine Fehleinschätzung“, so der HPI-Experte.

Eine weitere Herausforderung sieht Winter darin, dass Deutschland im internationalen Rennen um die Spitzenposition bei Künstlicher Intelligenz nur gemeinsam mit Europa erfolgreich sein kann. „Wir dürfen Deutschland nicht als Einzel-Player sehen, sondern als einer der Leistungsträger im europäischen Team.“ Die Schaffung eines europäischen Datenraums, wie ihn die KI-Strategie vorsehe, sei daher der richtige Weg.

Zugleich warnt der VDMA die Politik, die Entwicklung KI-basierter Innovationen nicht vorschnell durch zu enge Vorschriften auszubremsen: „Wenn die Politik zu früh mit Auflagen und Verboten arbeitet, werden wir viel Potenzial ungenutzt lassen. Wir brauchen daher einen flexiblen politischen Rahmen, der Risiken minimiert, aber keine Chancen verbaut.“ Er fordert eine anwendungsbezogene Regulierung: Schließlich mache es einen Unterschied, ob KI medizinische Diagnosen stellt oder in einer Fabrik technische Prozesse optimiert.

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