11. April 2022
Nachhaltig produzieren ist gut für die Umwelt und lohnend für die Unternehmen. Diverse Studien überbieten sich mit Einsparprognosen durch ressourcenschonende Produktionstechnologien. Sicher ist: Es geht um viele Milliarden. Wie sich dieses Potenzial erschließen lässt, wird sich auf der automatica zeigen, die vom 21. bis 24. Juni auf dem Messegelände in München stattfindet.
Dass die Nachhaltigkeitsbestrebungen in der wichtigen Automobilindustrie angekommen sind, belegen die Aktivitäten der Hersteller, deren Fabriken CO2-neutral werden sollen. Mercedes strebt für 2039 vollständige CO2-Neutralität an und erprobt in seiner Pilotfabrik „Factory 56“ in Sindelfingen unterschiedlichste Technologien der energiesparenden Produktion. Auch BMW und viele weitere Automobilhersteller verfolgen ähnlich ambitionierte Ziele.
Welchen Beitrag kann die Automatisierung leisten, um mit weniger Energie- und Ressourceneinsatz mindestens ebenso gut und ebenso viel zu produzieren – nicht nur in der Automobilindustrie? Diese Frage wird auf der automatica 2022 gestellt und auch beantwortet.
Ein echtes Plus in puncto Nachhaltigkeit ergibt sich aus der Flexibilität der Roboter. Eine klassische, hochautomatisierte Fertigungslinie mit stationärer Fördertechnik im Karosserierohbau lebt genauso lange wie das Fahrzeugmodell, das mit ihr produziert wird. Anders sieht es in der smart factory aus: Hier übernehmen Roboter und AGVs hochflexibel alle Prozessschritte einschließlich des Transports von einer Station zur nächsten. So lässt sich der Modellwechsel durch einfaches Umprogrammieren realisieren. Und schon wird das Nachfolgemodell mit derselben flexiblen und hoch produktiven Anlage gefertigt wie sein Vorgänger. Das ist nicht nur ein erheblicher Kostenvorteil, sondern spart auch Ressourcen.
Gleiches gilt natürlich für die Roboter selbst. Neben dem Energieverbrauch ist deren Lebensdauer der bestimmende Faktor für die Nachhaltigkeit. Beispiel Stäubli: Der Hersteller setzt bei seinen Robotern auf eine eigenentwickelte Antriebstechnik mit weit überdurchschnittlicher Lebensdauer. „Die Qualität unserer Roboter ist so gut, dass wir betagte Exemplare generalüberholen und frisch upgedated in ein zweites Leben schicken. Und die Antriebe gehen dabei mit der gleichen Dynamik und Präzision zu Werke wie am ersten Tag“, verspricht Stäubli Robotics Geschäftsführer Peter Pühringer.
Diese Form der Nachhaltigkeit verfolgt man auch bei Fanuc. Die Japaner sehen die Stärke ihrer Roboter ebenfalls vorrangig in deren Langlebigkeit. Tatsächlich sind in der Praxis nicht wenige Roboter im Einsatz, die seit über 20 Jahren ihren Dienst versehen. Da ist es nur konsequent, dass Fanuc Ersatzteile jahrzehntelang vorhalten und lebenslangen Service garantieren will.
Automatisierung heißt immer auch Bewegung. Jede Bewegung verbraucht Energie und je weniger Gewicht bewegt wird, desto weniger Energie wird benötigt. Das heißt: Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sollten Komponenten wie Linearachsen, Roboter, Greifer und Werkzeuge möglichst leicht sein.
Auf welche Lösungen die Aussteller aus den unterschiedlichen Bereichen setzen, um Gewicht zu reduzieren, wird eines der spannenden Themen der automatica sein. Setzen die Entwickler auf metallische Leichtbauwerkstoffe wie Aluminium, Magnesium und Titan oder greifen sie vermehrt zu Faserverbundwerkstoffen?
Ein ganz praktisches Beispiel zum Thema „Automatisierung mit Nachhaltigkeitseffekt“ kommt von BMW und aus dem Einzugsgebiet des automatica-Messestandortes. In der Achsträgerfertigung im Komponentenwerk Dingolfing setzt der Autohersteller an seinen energieeffizient arbeitenden Kuka Sechsachs-Robotern ein flexibles elektrisches Greifersystem ein, das die bisher gebräuchlichen pneumatischen Greifer ersetzt.
Damit erschließt sich das Werk zwei Vorteile. Roland Treitler, Leiter Vorentwicklung Fahrwerk- und Antriebssysteme, erklärt: „Weil wir beim Handling der Achsträger auf Druckluft verzichten können, sinkt der Energieverbrauch der neuen Greifer im Vergleich zu den pneumatischen um mehr als 90 Prozent.“ Außerdem sind die Greifersysteme deutlich flexibler: „Wir können sie für unterschiedliche Derivate einsetzen und müssen sie nicht mehr modellspezifisch wechseln. Dadurch sind sie auch längerfristig verwendbar, zum Beispiel nach Modellwechseln, was neben Investitionen auch Material einspart.“ Verwendet wird das neue System derzeit auf mehreren Produktionslinien für verschiedene Baureihen.
Die Kombination von Automatisierung und Nachhaltigkeit hat aber auch noch eine andere Dimension. Wenn zum Beispiel Batterien oder Elektromotoren für die E-Mobilität in großen Serien gefertigt werden, entstehen neue Märkte für die Automatisierer.
Auch hier ein Beispiel von vielen: Der automatica-Aussteller Teamtechnik hat eine standardisierte Plattform für die End-of-Line-Prüfung und Kalibrierung von kompletten E-Antrieben, E-Achsen, Elektromotoren sowie von Hybridantrieben entwickelt. Dabei setzt das Unternehmen konsequent auf Ressourcen- und Energieeinsparung. Die Energie, mit der die Prüflinge angetrieben werden, wird bei den Bremstests, die zum Prüfzyklus gehören, zurückgewonnen.
Solche Prüfstände mit Energierekuperation sind bereits lieferbar. Die automatica wird aber auch in Sachen „Nachhaltige Automatisierung“ einen Blick in die Zukunft wagen und die Besucher inspirieren. Ein spannendes Entwicklungs- und Forschungsfeld, in dem einige Aussteller wie z.B. Bosch Rexroth aktiv sind, ist der „digitale energetische Zwilling.“ Mit ihm lässt sich schon in der Entwicklungsphase der Energieverbrauch z. B. von automatisierten Montage- und Förderanlagen ermitteln und in Iterationsschritten immer weiter optimieren – damit leistet die Automatisierung einen weiteren Beitrag zur nachhaltigen Produktion.