9. März 2022
Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen sind seit Jahren in der industriellen Produktion angekommen. Zumindest theoretisch. Mit welcher Vehemenz KI jetzt in der Praxis Einzug hält, wird sich auf der automatica zeigen, die vom 21. bis 24. Juni 2022 in München stattfindet.
Dass KI-basierte Automatisierungslösungen das große Thema der kommenden Jahre sein werden, ist unstrittig. Die Frage ist, wie schnell es jetzt gelingt, das immense Potenzial dieser Technologie für produzierende Unternehmen nutzbar zu machen. Eine Umfrage von Longitude Research und Siemens kommt hier zu einem klaren Ergebnis: Demnach erwartet mehr als die Hälfte der Wirtschaftsführer, dass Industrieanlagen, Maschinen und kritische Infrastrukturen schon in den nächsten fünf Jahren von KI gesteuert werden.
Grundvoraussetzung dafür ist aber die durchgängige digitale Vernetzung aller am Produktionsprozess beteiligten Komponenten. Ist diese Hürde genommen und der autonome Datenaustausch aller involvierten Systeme sichergestellt, ist die Basis für eine intelligente Produktion geschaffen. „In ein paar Jahren wird die digitale Vernetzung flächendeckend umgesetzt sein. Alle Komponenten können dann Daten untereinander austauschen, sich selbst optimieren und intelligent agieren“, so Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA-Fachverband Robotik + Automation.
Auch wenn die digitale Vernetzung oftmals noch nicht durchgängig gegeben ist, steht der Realisierung von KI-Insellösungen heute nichts mehr im Wege. Einer der Wegbereiter für intelligente Produktionsprozesse ist die industrielle Bildverarbeitung.
Ein Ausflug ins Weltall zeigt, wie weit fortgeschritten die Bildgebung bereits ist. So werden ab 2023 zehn Satelliten, ausgerüstet mit multispektralen Bildgebungssystemen von ABB, die Erde umkreisen und das Ökosystem unseres Planeten erfassen. Das System liefert erstklassige Bilder mit einer Auflösung bis auf fünf Meter genau. Ein auf KI basierendes Analysesystem des Satellitenbetreibers bewertet Veränderungen auf unserem Globus – natürlicher Art oder verursacht durch menschlichen Eingriff – nahezu in Echtzeit.
Zurück zur Erde, genauer gesagt in die Ausstellungshallen der automatica. Hier werden Aussteller wie unter anderem Asentics, Basler, Cognex, MVTec, IDS, IS-RA Vision, Sick oder Stemmer Imaging wegweisende Kameras, und Sensoren oder Software mit integrierter KI zeigen. Die Bildgebung ist auch entscheidend für KI-basierte Robotikanwendungen. Visionsysteme bilden seit vielen Jahren die Voraussetzung für Autonomie und Flexibilität von Robotern. Sollen Roboter intelligent agieren, wird eine hochleistungsfähige Bildverarbeitung eine der Grundvoraussetzungen dafür sein.
Welche weiteren Eigenschaften Roboter für die Einbindung in intelligente Produktionsumgebungen mitbringen müssen, bringt Dr. Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme bei Fraunhofer IPA, auf den Punkt:
„Bild- oder Kraftdaten sind die Basis für KI-gestützte Roboterfunktionen. Die meisten Roboter arbeiten jedoch heute von Werk aus blind. Die Integration von Kameras und Kraftsensoren muss zukünftig zum Leistungsumfang eines Standardroboters für die Smart Factory gehören. Um wirklich autonom agieren zu können, ist auch die virtuelle Trainingsumgebung entscheidend. Industrieroboter benötigen einen digitalen Zwilling, um Trainingsdaten in der Simulation zu erzeugen, sodass der reale Roboter direkt produktiv ist.“
Nicht zuletzt ist Robotik immer taktzeitkritisch, das heißt, es bedarf einer Echtzeit-KI mit niedrigen Latenzen. Daher wandert die KI von der Cloud mit großen Rechenressourcen auf die Edge. Hierfür braucht es Rechenperformance in der Robotersteuerung zum Ausführen und Trainieren von KI- Modellen.
Für die Aufgabe, Standardroboter ohne großen Aufwand für KI-Anwendungen zu qualifizieren, entwickeln junge aufstrebende Unternehmen zukunftsweisende Lösungen, darunter Micropsi Industries und Robominds. Diese Unternehmen haben es sich auf die Fahne geschrieben, Roboter intelligent zu machen. Dazu Christian Fenk, CSO von Robominds: „Wir sind der Meinung, jeder Roboter hat ein Gehirn verdient. Auf der automatica zeigen wir, wie sich Roboter mit hochperformanten Steuerungen und Bildverarbeitungssystemen für KI-Anwendungen aufrüsten und so ‚getuned‘ besonders einfach bedienen lassen. Wir verfolgen das ambitionierte Ziel, als Pionier echter Künstlicher Intelligenz ein neues Zeitalter der Robotik einzuleiten.“
Wie sehr Intelligenz bereits in Standardkomponenten angekommen ist, beweisen unter anderem die Hersteller von Greifsystemen, darunter Aussteller wie Festo, IPR, Onrobot, Schunk und Zimmer Group. Mit Hightech- Greifern – vollgepackt mit jeder Menge Sensorik samt integrierter Software – lassen sich Applikationen wie der ‚Griff in die Kiste‘ mit vergleichsweise geringem Aufwand prozesssicher realisieren. Auch die spannende Kombination Cobots und intelligente Greifsysteme können die Fachbesucher der automatica in unterschiedlichen Demoapplikationen unter die Lupe nehmen.
Alles in allem läuten die Megatrends digitale Vernetzung und Künstliche Intelligenz eine neue Ära der Automation ein. Sie erlauben die Realisierung von hochflexiblen Intralogistik- und Produktionskonzepten, die bis dato nicht darstellbar waren. Bei der derzeitigen Innovationsdynamik wird die diesjährige Leitmesse zur wahrscheinlich wichtigsten automatica aller Zeiten mit einem Ausstellerspektrum, das von Startups bis zu Branchengrößen ein breiteres Spektrum als jemals zuvor umfasst.