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Werden Roboter dank Künstlicher Intelligenz (KI) eines Tages intelligenter sein als wir Menschen? Angefacht von spektakulären Science-Fiction Filmen, düsteren Romanen und reißerischen Presseberichten geht in der Öffentlichkeit oft die Angst vor intelligenten KI-Robotern um, die den Menschen ersetzen, entmündigen oder gar unterjochen. Grund genug für die automatica, echte Robotik- und KI-Experten aus Industrie und Forschung zu Wort kommen zu lassen.

Die Meinung der KI- und Roboter-Experten ist eindeutig: Es wird auf absehbare Zeit keine künstliche Roboter-Intelligenz geben, die der menschlichen Intelligenz in allen Bereichen überlegen ist. Denn spezielle Lösungen für Künstliche Intelligenz sind in ihren Teilbereichen zwar bereits besser als der Mensch, aber: Eine „allgemeine Künstliche Intelligenz“ mit eigener Persönlichkeit, die den menschlichen Geist und die menschliche Intelligenz in all ihren Facetten nachahmt, ist nicht in Sicht, wenn nicht gar technisch unmöglich. Roboter werden also auch mit KI den Menschen mit seiner enormen Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Lösungskompetenz wohl niemals komplett ersetzen können.

Zumal Roboter eine ganz besondere Herausforderung haben: Sie müssen stets physisch mit ihrer Umwelt interagieren. Und bei dieser praktischen Intelligenz, die eine physikalische Interaktion des Roboters mit seiner Umwelt erfordern, sind schon Kleinkinder den intelligenten Robotern deutlich überlegen. Ein Beispiel: Eine KI-Software kann heute zwar den besten menschlichen Spieler im Schach schlagen – aber ein Brett mit Spielfiguren aus dem Regal nehmen und aufbauen, das kann bis heute kein Roboter.

Allerdings können Roboter in ihrem jeweiligen, sehr spezifischen Aufgabenbereich dank KI durchaus deutlich besser sein als ein Mensch, vor allem dort, wo etwa eine schnelle Auswertung von Daten für eine konkrete Anwendung gefragt ist oder eine zuverlässige Aufgabenausführung (Stichwort „Smart Factory“). So können und sollen intelligent sehende und fühlende Roboter den Menschen schwere, ermüdende und wiederkehrende Tätigkeiten abnehmen – oder ihnen zumindest dabei helfen.

Die Expertenumfrage im Detail

Dr. Susanne Bieller, Generalsekretärin der IFR International Federation of Robotics

Werden Roboter dank KI eines Tages intelligenter als Menschen?

Ein Roboter, der der menschlichen Intelligenz wirklich in allen Bereichen überlegen ist, würde eine sogenannte allgemeine Künstliche Intelligenz erfordern. Das ist heute nicht möglich und wird auch in absehbarer Zukunft nicht möglich sein. Der Begriff "künstliche Intelligenz" erweckt oft den falschen Eindruck von uneingeschränkt autonomen Systemen. Das passt nicht zu unserem Anspruch an Roboter. Die Anwender wollen Vorhersagbarkeit, hohe Präzision und Zuverlässigkeit von Robotern. Nicht zuletzt aus Sicherheitsaspekten sind die Parameter für die Roboterautonomie bei kommerziellen Roboteranwendungen daher sehr eng gesetzt.

Wo sind (auf kurze Sicht) die sinnvollsten bzw. vielversprechendsten Anwendungsfälle für KI / Machine Learning in der Robotik?

Zu den kommerziellen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in der Robotik zählt schon heute beispielsweise die Umgebungserkennung samt Reaktion darauf – dadurch wird die Bandbreite der Funktionen, die Roboter ausführen können, erheblich erweitert. Eine Optimierung der Roboter- und Prozessperformance führt auch zu direkter Kosteneinsparung für die Unternehmen. Zu den derzeitigen KI-Forschungsschwerpunkten im Bereich der Robotik gehören etwa die Erweiterung der Greiftechnik (um zum Beispiel nicht-starre Objekte zu kommissionieren) oder die Erweiterung der Mobilität von Robotern in nicht standardisierten Umgebungen (z.B. unwegsames Gelände). Hinzu kommen die Gesten- und Sprachsteuerung von Robotern und die Erleichterung der Programmierung von Robotern.

© Uwe Noelke

Dr. Moritz Tenorth, CTO, Magazino GmbH

Werden Roboter dank KI eines Tages intelligenter als Menschen?

Roboter werden in ihrem jeweiligen, sehr spezifischen, Aufgabenbereich dank Künstlicher Intelligenz deutlich besser sein als ein Mensch – jedoch werden sie auf absehbare Zeit den Menschen, mit seiner enormen Anpassungsfähigkeit, niemals komplett ersetzen können.

Wo sind (auf kurze Sicht) die sinnvollsten/vielversprechendsten Anwendungsfälle für KI / Machine Learning in der Robotik?

Überall dort, wo große Datenmengen sortiert, strukturiert und interpretiert werden müssen, hilft Machine Learning. Beispielsweise bei der Erkennung von Objekten mittels Computervision, beim Ermitteln der effektivsten Route durch ein Warenlager oder wo mehrere Roboter in einer Flotte von den Erfahrungen der anderen Roboter lernen, um besser zu werden. Für andere Bereiche der Künstlichen Intelligenz, z.B. dem automatisierten Planen oder Schlussfolgern, sehe ich ebenfalls viele Anwendungen bei der Steuerung der Roboter, dem Treffen von Entscheidungen in dynamischen Umgebungen und generell dem Treffen der richtigen Entscheidung, was zu tun ist, wenn etwas schiefgeht.

Dr. Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

Werden Roboter dank KI eines Tages intelligenter als Menschen?

Roboter sind auch heute schon bei ganz bestimmten Aufgaben dem Menschen überlegen. Das gilt dort, wo Kriterien wie eine zuverlässige Aufgabenausführung oder die schnelle Auswertung von Daten mittels Künstlicher Intelligenz für eine konkrete Anwendung gefragt sind. Die Herausforderung bei Robotern liegt jedoch darin, dass sie immer mit ihrer Umwelt interagieren müssen. Je komplexer diese ist, umso herausfordernder ist diese Interaktion. Oft gilt deshalb: Was dem Roboter leichtfällt, ist für den Menschen schwer und umgekehrt. Kommende KI-Anwendungen werden die Anwendungen, in denen Roboter den Menschen überbieten können, erweitern. Dass die Systeme aber tatsächlich insgesamt intelligenter werden als der Mensch mit seiner Lösungskompetenz und Flexibilität, wird absehbar noch nicht passieren.

Wo sind (auf kurze Sicht) die sinnvollsten bzw. vielversprechendsten Anwendungsfälle für KI / Machine Learning in der Robotik?

Die Paradedisziplin für maschinelles Lernen ist momentan die Bildverarbeitung. Diese ermöglicht Robotern, ohne manuellen Programmieraufwand eine Vielfalt von unterschiedlichen Objekten robust zu erkennen und zu greifen. Maschinelles Lernen reduziert den Einrichtaufwand für neue Objekte erheblich und ist der Türöffner für ganz neue Anwendungen im Handling, beispielsweise beim Griff-in-die-Kiste für die Kommissionierung im Lager. Ein weiterer vielversprechender Bereich ist die effizientere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter, indem letzterer zum Beispiel Intentionen oder Emotionen des Nutzers erkennt und seine Aktionen entsprechend planen kann.

© Fraunhofer IPA

Dr. Rainer Bischoff, Vice President Corporate Research bei KUKA

Werden Roboter dank KI eines Tages intelligenter als Menschen?

Zweifelsohne können und sollten intelligente Roboter Menschen bei schweren, ermüdenden und wiederkehrenden Tätigkeiten ersetzen oder ihnen zumindest helfen. Intelligente, sehende und fühlende Roboter können so in Zeiten des Fachkräftemangels zumindest bei einfachen Tätigkeiten gute Dienste leisten. Allerdings sind wir noch ein gutes Stück von den Robotern aus Science-Fiction Filmen entfernt. Ein Beispiel: Während es heute Schachcomputer gibt, die jeden Schachgroßmeister schlagen können, gibt es keinen Roboter, der ein Schachspiel aus dem Regal nimmt, die Box mit den Figuren aufklappt, die Figuren aus der Box herausnimmt und auf einem Spielfeld aufbaut und dann anfängt zu spielen. Bei dieser Art praktischer Intelligenz, die eine physikalische Interaktion des Roboters mit seiner Umwelt erfordert, sind bereits Kleinkinder heutigen intelligenten Robotern deutlich überlegen. Und das wird auch noch lange so bleiben.

Wo sind (auf kurze Sicht) die sinnvollsten bzw. vielversprechendsten Anwendungsfälle für KI / Machine Learning in der Robotik?

Die vielversprechendsten Anwendungsfälle für Methoden der künstlichen Intelligenz liegen im Bereich der Bilderkennung, was für eine größere Autonomie und Flexibilität von Robotern genutzt werden kann, zum Beispiel zur Objekterkennung, semantischen Szenenanalysen und Greifpunkterkennung. Auch die optimale Parametrisierung von Roboterbewegungen, beispielsweise beim Schweißen oder bei Montagevorgängen, ist eine bereits heute realisierte Anwendungsmöglichkeit. Im Fokus der Entwicklungen stehen auch Verfahren zur vorausschauenden Wartung. Auch zur Qualitätssicherung und Prozessüberwachung und -steuerung kann die intelligente Analyse großer Datenmengen aus dem Prozess genutzt werden. Zum Beispiel, um zu erkennen, ob ein Bauteil richtig montiert wurde. Zudem kann man einen Roboter durch Vormachen programmieren.

Dr. Rainer Bischoff, Vice President Corporate Research bei KUKA
© sg

Peter Pühringer, Geschäftsführer Stäubli Robotics, Bayreuth

Werden Roboter dank KI eines Tages intelligenter als Menschen?

Den Begriff Künstliche Intelligenz halte ich hier für überzogen, wir sprechen lieber von Machine Learning, denn es geht darum, unsere Roboter so zu qualifizieren, dass sie sich automatisch in digital vernetzten Umgebungen an sich verändernde Produktionsprozesse anpassen können. Wir arbeiten hier also an sehr spezifischen Aufgabenstellungen und gehen nicht davon aus, dass Roboter eines Tages intelligenter sein werden als Menschen.

Wo sind (auf kurze Sicht) die sinnvollsten bzw. vielversprechendsten Anwendungsfälle für KI Machine Learning in der Robotik?

Eine sehr konkrete Lösung ist unser Mobilroboter HelMo. Er ist bereits so intelligent, dass er sich autonom in Fertigungsumgebungen bewegen, Hindernisse erkennen und diese umfahren kann. Im Bereich der konventionellen Robotik arbeiten wir mit Nachdruck an neuen, intuitiven Programmiertools unserer Roboter sowie an selbstoptimierenden Systemen. Wir können an unseren Robotern über 2.000 Maschinenparameter erfassen und haben somit eine verlässliche Datenbasis, die wir zur Optimierung einzelner Applikationen heranziehen können. Über ML und entsprechende Algorithmen werden unsere Roboter automatisch in der Lage sein, sich ohne menschliches Zutun zu optimieren und sich perfekt an flexible Produktionsabläufe in Industrie 4.0- Umgebungen anzupassen.

Peter Pühringer, Geschäftsführer Stäubli Robotics, Bayreuth

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