Milliardeninvestitionen, Supercomputer und das Ringen um eine neue Weltordnung – das Thema Künstliche Intelligenz bleibt spannend und visionär. Aber: Mehrere Flugebenen tiefer spielen praxiserprobte KI-Lösungen längst ihre Vorteile in der Produktion aus und das mit überschaubaren Investitionen. Wie das geht, zeigen viele Aussteller auf der Leitmesse automatica.
Aber das Thema ist einfach zu faszinierend, um nicht einen kurzen Blick in die Zukunft zu riskieren – eine Zukunft, in der Mensch und KI nahezu verschmelzen könnten. Wie konkret solche Szenarien bereits heute sind, beweist das Start-up Neuralink mit seinem N1-Chip, der beispielsweise querschnittgelähmten Menschen mit einem chirurgischen Roboter in den Schädel implantiert werden kann.
Von dem Implantat gehen 64 superdünne Drähte direkt ins Gehirn. Diese Drähte sind mit Elektroden verbunden, die Signale an eine entsprechende Software weiterleiten, die auf bestimmte Gedankenmuster trainiert ist. Der Patient kann diese Signale auslösen und so einen Computer oder sonstige Geräte bedienen. Bereits mehreren Personen sind solche N1-Chips implantiert worden, sie geben den Betroffenen ein Stück Lebensqualität zurück. Denkbar ist auch, gelähmte Menschen mit einer Prothese auszustatten, die diese dank des Chips über ihre Gedanken kontrollieren können.
Vielleicht nicht ganz so spektakulär, aber dennoch beeindruckend, sind die Erfolge, die sich mit KI-gestützter Robotik in der Produktion erzielen lassen. Auf der automatica werden viele Anbieter die jüngsten Komponenten für KI-Applikationen zeigen, darunter 2D/3D-Kameras, Vibrationssensoren, Näherungssensoren, Beschleunigungsmesser, Greifsysteme, Steuerungen, Hochleistungsrechner bis hin zu Robotern, Cobots, AGVs und AMRs. Dabei ist es erstaunlich, wie einfach aus einer Standard-Roboterapplikation eine wegweisende KI-Lösung entsteht.
Beispiel HWL Löttechnik: Das Unternehmen hat das Be- und Entladen von Metallstäben aus Waschkörben mit KI und Cobot automatisiert – obgleich der Prozess menschliche Fähigkeiten erfordert: Die Metallstäbe variieren in Größe und Gewicht und befinden sich bei der Entnahme chaotisch im Korb. Darüber hinaus kommt es zu Reflexionen, was für viele Bildverarbeitungssysteme einen prozesssicheren Betrieb erschwert. Anders das KI-basierte Visionsystem Mirai von Micropsi Industries. Dieses kommt mit den Anforderungen bestens zurecht und ermöglicht einem Cobot von Universal Robots die Übernahme der Aufgabe. Varianzen in Position und Erscheinungsbild der Metallstäbe, wechselnde Lichtverhältnisse und daraus resultierende Reflexionen auf der Oberfläche der Werkstücke können die Prozesssicherheit der Lösung nicht beeinträchtigen. HWL Löttechnik konnte mit der KI-Lösung die Zykluszeiten um 20 Prozent optimieren, Kosten senken und Beschäftigte entlasten.
Ein weiteres Beispiel zeigt, wie sich eine ganz typische Roboterapplikation mit KI auf ein neues Level heben lässt. Dabei geht es um das automatisierte Entladen von Bearbeitungsmaschinen, für das die Hans Weber Maschinenfabrik jetzt eine KI-Standardzelle anbietet. Zeitintensives Programmieren gehört damit der Vergangenheit an. Der Roboter greift auch nicht eingelernte Teile und legt sie auf einer Europalette ab. Einfach so – ganz ohne menschlichen Eingriff, ganz ohne vorheriges Teachen.
„In kaum einer Applikation wird der Nutzen künstlich intelligenter Systeme deutlicher als hier bei der tatsächlich vollautomatischen Entladung einer Bearbeitungsmaschine. Kein Teachen, keine aufwändige Programmierung – mit KI erschließen wir einem breiten Anwenderkreis ohne Programmierkenntnisse die Vorteile der Roboterautomation“, so Peter Pühringer, Geschäftsführer Stäubli Robotics, Bayreuth.
Dabei sieht man dem KI-Entladesystem auf den ersten Blick nicht an, was in ihm steckt: ein großer Stäubli TS2-100 Scara mit automatischem Werkzeugwechsler, ein optisches Highend-Erkennungssystem mit KI-Software von Mech-Mind Robotics und eine robuste Fördertechnik – fertig ist das kompakte Meisterstück. Auf der automatica finden Anwender jede nur erdenkliche Komponente für die Realisierung solcher und vieler weiterer Applikationen.
Auf der Messe wird sich auch zeigen, wie sich Cobots in Richtung KI weiterentwickeln. So stellt die Integration von KI-gestützter Software in kollaborative Roboter einen Wendepunkt in der intelligenten Automatisierung dar. KI implementierende Cobots können in Zukunft noch enger und effizienter mit Menschen zusammenzuarbeiten.
Universal Robots hat dazu kürzlich sein neuestes Hardware- und Software-Toolkit vorgestellt: „Mit dem UR AI Accelerator bieten wir unseren Partnern alles, was sie für die Entwicklung und den Einsatz neuer, innovativer KI-Lösungen benötigen“, sagt Kim Povlsen, CEO und Präsident von Universal Robots. Entwickler können damit ihre Robotiklösungen mit modernster KI-Technologie ausstatten – einfach, branchenunabhängig und schnell. Es können Demoprogramme für Funktionen wie Positionsbestimmung, Objekterkennung, Pfadplanung oder Qualitätsprüfung mithilfe der Hardware-Komponenten getestet und anschließend in eigene Robotiklösungen implementiert werden. Oder, mithilfe von bereitgestellten Bibliotheken und Tools, flexibel eigene KI-Programme erstellt werden.