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Wie sich fahrerlose Transportsysteme in die Produktion integrieren lassen

Autonome mobile Roboter sind aus der modernen Intralogistik nicht mehr wegzudenken. Und auch bei der Vision einer autonomen Produktion, die sich und damit auch den Materialfluss weitestgehend selbst steuert, spielen sogenannte fahrerlose Transportsysteme eine unverzichtbare Rolle: Produktionsschritte, Ladungstransporte sowie Lager- und Kommissionierprozesse können mit den Fahrzeugen effizient und flexibel erledigt werden. Was aber ist für die richtige Integration in die Produktion zu beachten und wann ist ein solches System wirklich autonom? Hier kommen die 5 wichtigsten Fragen, die im Voraus geklärt werden sollten:

© Hahn Robotics

1. Wozu ist ein fahrerloses Transportsystem nützlich?

„Fragen Sie sich: Warum brauche ich ein FTS in meiner Produktion? Der Grund, ein fahrerloses Transportsystem einzusetzen, sollte nie Selbstzweck sein", erklärt Michael Jürgens, Head of AGV Solutions bei Kuka. „Ansonsten kann das ziemlich schnell nach hinten losgehen, was in der Regel Technologie und Prozesse beim Betreiber zurückwirft." Unternehmen sollten sich bei der Überlegung, wo ein FTS zum Einsatz kommen könnte, immer die Entlastung des Menschen als Ziel setzen, meint Marco Unverzagt, Geschäftsführer beim Systemintegrator Hahn Robotics: „Dem Arbeiter muss bei der Implementierung verdeutlicht werden, dass das fahrerlose Transportsystem den Menschen nicht ersetzen soll, sondern lediglich einfache und monotone Aufgaben, wie Transporte von A nach B, übernehmen wird." So könne sich der Mensch auf wichtigere Aufgaben konzentrieren, die ein Roboter wiederum nicht leisten könne. Weitere Fragen, die Anwender prüfen sollten, sind: Habe ich durch das fahrerlose Transportsystem konkrete Kostenvorteile? Kann ich die Auslastung meines Prozessequipments durch effizientere Prozesse erhöhen? Erhöht es meine Flexibilität?

Und: Welche Auswirkungen hat es auf meine Anlagenauslastung? Jürgens rät Unternehmen, immer erst einmal eine Pilotapplikation zu starten und nach Abwägung aller Fragen einen Systemintegrator für die Planung zu konsultieren

© Hahn Robotics

2. FTS und Sicherheit: Ist meine Produktionsumgebung überhaupt geeignet?

„Sicherheit ist für die Integration mobiler Roboter entscheidend, denn sie ist die Voraussetzung für deren umfassende Bewegungsfreiheit", sagt Thomas Visti, CEO bei Mobile Industrial Robots. Eine Frage müsse sein: „Sind meine Umgebungsbedingungen vor dem Hintergrund der Personensicherheit überhaupt für die Integration eines fahrerlosen Transportsystems geeignet?", so Michael Jürgens. Dies gelte es ganz am Anfang mit einem Systemintegrator zu prüfen, da hier Voraussetzungen gegeben sein müssten, die man nicht wegdiskutieren könne. Ein Beispiel: Ist der Flächenbedarf nicht ausreichend – zum Beispiel in einer Übergabestation oder an engen Kreuzungen und Passierstellen – und man stellt dies zu spät fest, steht nicht selten der Rückbau der gesamten Anlage an. Thomas Visti weist darauf hin, wie sicher FTS-Lösungen heute schon sind: „Ausgestattet mit leistungsstarker Sensorik und modernen Sicherheitsalgorithmen sind unsere MiR-Roboter in der Lage, Menschen, Gegenstände und andere fahrerlose Transportsysteme rechtzeitig zu erkennen. Je nach Situation weichen sie dann aus oder bleiben stehen. Vielfach ersetzen sie bereits Gabelstapler, die wiederum häufig in Unfälle involviert sind."

© Mobile Industrial Robots

Ist für eine sinnvolle FTS-Integration 5G nötig?

Michael Jürgens, Kuka: „Für die Kommunikation genügt in der Regel WLAN mit ausreichender Abdeckung. Wer jedoch eine homogene Netzstruktur präferiert, für den kann auch 5G Vorteile haben. Das Datenvolumen, das wir mit FTS übertragen, ist aber heute noch nicht der Flaschenhals, sondern eher die Rechnerkapazität für Planungsalgorithmen“, erklärt der FTS-Experte.

3. Geführt oder autonom: Welches FTS-System lohnt sich?

Vor allem AMR-Systeme (Autonomous Mobile Robot), deren Autonomie hoch ausgeprägt ist, gelten als sehr anwenderfreundlich. Marco Unverzagt erklärt den Unterschied zum konventionellen AGV (Autonomous Guided Vehicle), das im Vergleich dazu aufwendig programmiert werden müsse: „Ein AGV erfordert sogenannte Tracks, also magnetische Streifen oder Kabel, die das Vehikel an möglichen Hindernissen vorbeiführen. Problematisch sind hierbei der Mangel an Flexibilität, sowie die einhergehenden Kosten, wenn ein Arbeitsbereich verändert und der Track dann auch entsprechend angepasst werden muss." Ein AMR verhalte sich im Gegensatz dazu deutlich intelligenter, da es nicht an einen Track gebunden sei, sondern sich seine Wege selbst bahne. Der Arbeitsbereich des AMR könne deshalb einfacher erweitert oder verändert werden.

Bei autonomen Transportrobotern mache außerdem der Einsatz von Flotten Sinn, um die Abwicklung interner Logistikprozesse skalierbar zu gestalten, weiß Thomas Visti von Mobile Industrial Robots – bis hin zur ERP-Anbindung und Schwarmintelligenz. Die Rolle von KI und Machine Learning spiele hier in Zukunft eine immer größere Rolle: So mache die Einbindung von KI-Technologien die Routenfindung und Navigation noch effizienter, da sie den Robotern erlaube, Sensor-Input zu teilen und auf dieser Basis zu lernen. Stark frequentierte Bereiche beispielsweise könnten die autonomen fahrerlosen Transportsysteme so im Voraus vermeiden.

© Kuka

4. Auswahl des richtigen FTS: Auf Bedienbarkeit achten!

Anwender sollten bei der Auswahl autonomer Transportlösungen auf eine intuitive Bedienbarkeit achten, rät Thomas Visti. Sie helfe Mitarbeitern, sich schneller mit der neuen Automatisierungslösung zurechtzufinden, und spare gleichzeitig Zeit, die nicht in kostenintensive Schulungen fließen müsse. Überdies steigere die einfache Handhabung eines FTS-Systems seine Akzeptanz auf Mitarbeiterseite.

Klar ist: Je unkomplizierter sich eine Applikation in die laufenden Prozesse integrieren lässt, desto schneller kann sie diese aktiv unterstützen und ihre Anschaffungskosten wieder einspielen. Dies wiederum mache die Investition auch für kleine und mittlere Unternehmen erschwinglich, erklärt Thomas Visti: „Unsere MiR-Roboter lassen sich beispielsweise in das WLAN oder das ERP-System einbinden und sind so schon wenige Stunden nach der Lieferung einsatzbereit." Marco Unverzagt von Hahn Robotics bestätigt diesen Plug-and-Play-Ansatz: „Es wird das Konzept eines Superusers auf Kundenseite verfolgt, das heißt, der Kunde wird auf die Geräte geschult und kann alle anfallenden Arbeiten selbstständig ausführen, ohne auf den Integrator und dessen Personal angewiesen zu sein.“

© Kuka

5. Ist die FTS-Lösung kompatibel mit Aufsatzmodulen?

Thomas Visti weiß: „Ein Transportroboter ohne Aufsatz ist wie ein Handy ohne Apps – er stiftet keinen Mehrwert. Unterschiedliche Aufsatzmodule ermöglichen verschiedenste Einsatzmöglichkeiten und erlauben, ein und denselben Roboter für eine Vielzahl von Tätigkeiten einzusetzen." Der Robotik-CEO rät daher abschließend: „Anwender sollten bei der Auswahl einer Lösung darauf achten, eine hohe Kompatibilität mit verschiedenen Modulen sicherzustellen."